Am 1.1.2023 tritt das neue Erbrecht in Kraft. Das Hauptanliegen des Gesetzgebers war es, die Entscheidungsfreiheiten des Erblassers zu erweitern. Dies bedeutet für Sie einen Zuwachs an Eigen- und Selbstverantwortung mit einem erhöhten Bedarf an Beratung bei der Ausarbeitung eines Testamentes oder eines Ehe- und Erbvertrages, weil schnell ungewollte Nebeneffekte auftreten können (Stichworte: Ersatzverfügungen und Erbschaftssteuern!). Auf nachfolgende Punkte bzw. Neuerungen möchten wir Sie daher hinzuweisen:
Grundsätzlich behalten alle bestehenden Verfügungen von Todes wegen (Testamente sowie Erbverträge) vollständig ihre Gültigkeit. Es gilt aber das Todestagprinzip, das heisst auf alle Todesfälle nach dem 1.1.2023 findet direkt das neue Recht Anwendung. Allen Personen, die bereits eine Verfügung von Todes wegen errichtet haben, empfehlen wir daher, diese gesamthaft überprüfen zu lassen: Sei es, um unliebsame Auslegungsfragen zu beseitigen; sei es, um Ihr freies Verfügungspotenzial optimal ausschöpfen zu können. Denn unter dem neuen Erbrecht lohnt sich das Verfügen von Todes wegen noch mehr. Daher können wir mit sogenannten dynamischen Verweisen arbeiten, Formulierungen also, welche sich automatisch an das neue Recht anpassen.
Die zentrale Neuerung betrifft das Pflichtteilsrecht. Die Eltern des Erblassers sind unter dem neuen Erbrecht nicht mehr pflichtteilsgeschützt (bisher pflichtteilsgeschützt im Umfang von 1/2 ihres gesetzlichen Erbanspruches). Der gesetzliche Pflichtteil der Nachkommen reduziert sich auf 1/2 ihres gesetzlichen Erbanspruches (bisher waren es 3/4). Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners bleibt unverändert bei 1/2 des gesetzlichen Erbanspruches. Ab dem 1.7.2022 steht die Eheschliessung übrigens auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Eine bestehende eingetragene Partnerschaft kann mittels gemeinsamer Erklärung gegenüber dem Zivilstandsbeamten in eine Ehe umgewandelt werden. Eine weitere Neuerung betrifft den Pflichtteilsschutz während eines laufenden Scheidungsverfahrens. Bei Einleitung eines Scheidungsverfahren verliert der überlebende Ehegatte neu grundsätzlich seinen Pflichtteil für den Fall, dass der andere Ehegatte während des Scheidungsverfahrens verstirbt. Zu beachten ist aber, dass der gesetzliche Erbanspruch bestehen bleibt. Mittels eines sogenannten Scheidungstestamentes oder eines Erbvertrages kann dem überlebenden Ehegatten im Scheidungsverfahren somit das Erbe gänzlich entzogen werden. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Verzögerungstaktiken einen Riegel schieben, da der gesetzliche Erbanspruch bisher erst mit dem rechtskräftigen Scheidungsurteil endete.
Neugeregelt wird zudem die Ehegattenbegünstigung mittels Nutzniessung zu Lasten der gemeinsamen Nachkommen. Wie unter dem bisherigen Recht kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen dem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung an dem Teil der Erbschaft zuweisen, der den Nachkommen zufällt. Der neben dieser Nutzniessung frei verfügbare Teil erhöht sich dabei von 1/4 auf neu 1/2 des Nachlasses.
Die Möglichkeit der Begünstigung des überlebenden Ehegatten durch eine integrale Vorschlagszuweisung im Eherecht bleibt wie bis anhin bestehen. Hier hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der überhälftige Anteil des Vorschlages bei der Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten und der gemeinsamen Kinder sowie deren Nachkommen nicht hinzuzurechnen ist, was diese Form der Ehegattenbegünstigung im Todesfall noch attraktiver macht.
Des Weiteren ist auf die Bindungswirkung eines Erbvertrages hinzuweisen. Hier bringt die Revision einen Kurswechsel hin zum grundsätzlichen Verfügungs- und Schenkungsverbot, sofern diese Rechtsgeschäfte mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind.
Was eine Vorsorgevereinbarung (Säule 3a Konto bei einer Bank) anbelangt, fällt dieses Konto nach dem neuen Recht nicht mehr in den Nachlass. Der Begünstigte hat folglich, wie bei einer Vorsorgeversicherung, einen Direktanspruch auf Auszahlung gegenüber der Vorsorgeeinrichtung. Wussten Sie, dass Sie bereits jetzt Ihren Konkubinatspartner in der 2. Säule optimal begünstigen können?
Durch eine Erbeinsetzung lässt sich der begünstigte Erbe unter dem neuen Erbrecht besser gegen eine allfällige Herabsetzungsklage schützen (Anpassung der Herabsetzungsreihenfolge).
Schliesslich bringt die Revision auch mehr Wahlfreiheiten (Zuständigkeit und anwendbares Recht) im internationalen Erbrecht.